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Café du Pont_Vianden

Oktober 17, 2018

Im März 2017 faszinierte mich dieses Café-Restaurant erstmals, im April kam ich nochmal vorbei – aber es war geschlossen. Warum, lernte ich später. Vor zehn Tagen kam ich schließlich ein drittes Mal vorbei – endlich mit 20 Minuten Zeit für einen Espresso. Wieder wegen des Projekts Cohabit’AGE, finanziert von etika. Damals hatte ich über die Projektidee zu berichten, jetzt war die Einweihung dieses Hauses intergenerationellen und interkulturellen Wohnens Anlass für meinen Besuch. Es liegt ein paar Schritte von der Brücke über die Our, mit dem Hotel Viktor Hugo und weiteren Cafés auf der anderen Seite, wo die Straße steil hoch zum Schloß führt. Aus anderen Gründen habe ich dort einmal in der Auberge du Château übernachtet, im Café de la Poste etwas gegessen im Café A la ville de Bruxelles noch einen getrunken, ehe ich nochmal an die Brücke ging, für die besondere Atmosphäre an der dunkel rauschenden Our.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Tagsüber wirkt diese Ecke ganz anders: Überall Touristen, dominant aus Belgien und den Niederlanden. Aber auch für literaturinteressierte Franzosen ist der Ort von Bedeutung: Zur Zeit der Romantik zogen die „großartigen“ Ruinen der Burg namhafte Dichter und Maler an. Victor Hugo war gar fünf Mal hier, 1871 auch mehrere Monate im Exil, aus Belgien verbannt. An der Brücke über das Flüsschen Our ist ein Hotel nach ihm benannt, zu Recht, denn in diesem Haus wohnte der Dichter der „Misérables“ und des „Glöckners von Notre Dame“. Seine Familie lebte ein paar Schritte entfernt in der Auberge von Marie Koch. 1937 gründete sich ein Verein der Freunde des Hauses von Viktor Hugo und richteten später ein Museum ein.

Durch die Dominanz dieses historischen Hauses fällt ein Gebäude auf der gegenüberliegenden Brückenseite nicht sofort in den Blick, obwohl es historisch und architektonisch viel interessanter ist: Das „Café du Pont“ mit seiner Außentreppe, die ins Nichts zu führen scheint.

Vorletzten Donnerstag erlebte ich hier dann eine Überraschung, wie schon öfters im Ösling (wie die luxemburgischen Ardennen genannt werden), so im Hotel Huberty in Kautenbach, dem Hotel des Nations Unis in Clervaux oder der Kneipe „de Winkel“ in Trier: Die Inhaber dieser altehrwürdig luxemburgischen Lokalitäten sind holländisch und richten sich in ihrer Werbung und auch bei den Speisekarten etc. dominant an ihre Landsleute. Ohne nun unbedingt – wie Morris Fredericks in Trier – ihre Lokale orange anzustreichen. Wie kommt denn das?

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Dass hier so viele holländische Gäste sind, hat mit der Burg zu tun: ihrer Schönheit und Lage auf einem Schieferfelsen, aber auch einem ihrer früheren Herren. Die Viandener Burg wurde vom 11. bis 14. Jahrhundert auf den Fundamenten eines römischen Kastells und eines karolingischen Refugiums erbaut. Unter den Grafen aus dem Hause Nassau und Nassau-Oranien, die hier oberhalb des Dörfchens residierten,  ragt einer besonders empor: Fürst Wilhelm der Schweiger, dessen Sitz die Burg von 1544-84 war. Er wurde zum Anführer der aufständischen Niederlande gegen die Spanier. Die niederländische Nationalhymne „Wilhelm von Nassau“ verherrlicht seine Person und seine historische Leistung. Aber längst gehört die Region nicht mehr zu den Niederlanden und der Schlosspalast wurde im 19. Jahrhundert zur Ruine (was ihn für Romantiker erst Recht interessant machte).

Nachdem ich mich eine Weile mit historischen Postkarten beschäftigt habe, wurde mir die besonder Lage klar: Das „Café du Pont“ wurde neben dem ehemaligen Stadttor, das sich direkt am Brückenkopf befand errichtet und vielfach umgebaut.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

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Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Das Lokal besteht aus drei Räumen: Neben der vorderen Schankstube, scheinbar kürzlich saniert mit viel Holz und kitschigen Bildern sowie Trink- und Spaß-Sprüchen auf Holländisch, ein riesiger Hauptsaal mit Fenstern zum Fluss, sowie ein weiteres Nebenzimmer ganz hinten rechts mit roten Gardinen und einem abgedeckten Billardtisch. Kein Gast, aber klar: Es war Donnerstag gegen 16 Uhr.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Von ganz hinten zurück fiel mir wieder eine in holländisch gehaltene Speisetafel auf. Und eine leere Kuchenvitrine neben einem ebenfalls nicht hiesigem Werbeschild.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Das Schloss, ehedem eine der schönsten und feudalsten Residenzen der romanischen und gotischen Epoche, zählt heute übrigens – nach seiner Sanierung in Folge der Übernahme in Staatsbesitz 1977 – wieder zu den bedeutendsten Baudenkmälern Europas. Insofern zieht es auch außereuropäische Touristen an.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

Dieses Jahr gab es hier vor allem Urlauber und Durchreisende aus Belgien, erzählt die Frau vom Fremdenverkehrsamt gegenüber. Und Asiaten (neben Deutschen und Holländern). Sie besuchen das Schloss, dann laufen sie vielleicht noch den Berg hinunter zur Brücke, trinken etwas und weiter gehts zu anderen Zielen. So wie ich. Alina, die Kellnerin, gab mir die Quittung für meinen Espresso. auch sie war auf Holländisch: „Totaal 2,30, Omzet 3% … und „Bedankt en tot ziens“ stand da.

Für mich noch interessanter war aber die Baugeschichte dieses Brückenkopfes. Im Lokal sah man auf einer Gravur in einem Fenster, dass der große Saal ursprünglich eine Terrasse war. Auf historischen Postkarten lässt sich der allmähliche Ausbau des Hauses ab 1835 nachverfolgen.

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

1835 und 1840, erst noch mit Stadttor an der Brücke, dann ohne:

AK-1835_800_Vianden-Flusspartie-mit-Bruecke-und-Blick-zur-Burg-Wappen

AK-Vianden-Les_A_800_-ruines-berceau-de-la-famille-d-Orange-1840-Wappen-von-Nassau-und-Vianden

1900/01 sieht man eine erste Terrasse mit Pergola vor dem Haus, aber damals im Erdgeschoß. Rechts das Wohnhaus von Viktor Hugo:

AK-1901_A_800_Vianden-Vue-prise-du-bord-de-l-Our

AK-1900_A_800_Vianden-Teilansicht-mit-Bruecke

AK-1900_A_800ViandenAK-1900_Vianden-Teilansicht-mit-Schloss-und-Wohnung-von-Victor-Hugo

1910 und 1930:

AK-1910_A_800_Vianden-Blick-zum-Schloss

AK-1930_A_800_Vianden-l-Our-Flusspartie

AK-Vianden_A_800-Le-Chateau-Das-Schloss

Dann wurde das Gebäude zur Flussseite um einen Vorbau und einen Anbau  linkerhand erweitert. Eine Terrasse im zweiten Stock entstand – die heute wiederum ein Dach bekommen hat (auf dem dann wiederum vor wenigen Jahrzehnten noch eine Etage aufgesetzt wurde.

AK-Vianden-Les-Ruines-du-Chateau (1)_A_800

AK-Vianden-Les-Ruines-du-Chateau_A_800

Damals dominierten hier sicherlich luxemburgische Ausflügler, sowie deutsche und belgische Touristen. Und warum war es hier im März/ April 2017 geschlossen? Na, weil so früh im Jahr keine Holländer unterwegs sind. Das Lokal hat heute offenbar so gut wie keine lokale Bindung mehr.

Verwendete Quellen: Groben, Joseph: Luxemburg und Großregion. Historisch-kulturelle Monographie, Luxemburg 2006, S. 293f; Mayer, Peter: Der Großdichter in der Kleinstadt, in: Merian: Luxemburg, Heft 07/2007, S. 108-111

Café du Pont_Vianden ⓒ Ekkehart Schmidt

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