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Performances Hannah-Sofie Schäfer

Februar 2, 2024

Ich schaue mir selten Performances an. Zwar beeindrucken sie immer wieder, sagen mir aber selten etwas. Das war im letzten Vierteljahr anders: alle drei, die ich erlebt habe, hallen nach und rühren etwas in mir selbst. Das wurde mir erst vorhin klar, als ich die Gefühle der Performance „Healing“ von Hannah-Sofie Schäfer im Saarländischen Künstlerhaus buchstäblich spürte.

Nach der etwa halbstündigen intermedialen Aufführung sprach ich sie an: Ja, sie war es, die mich schon am 31. Oktober bei der „Nacht der schönen Künste“ stark beeindruckt hatte. Damals kam sie aus einer Seitentür hereingehuscht, den Mikrofonständer in ihrer Nachthemdschärpe verknotet hinter sich her ziehend und sich dann in furchtbarem Lampenfieber vor das Publikum zu stellen, sich zu beugen und zu winden, um sich schliesslich, vor ihrer Auftrittsangst kapitulierend, auf dem Boden zu wälzen. Nicht ohne ein ordentliches Stück Erotik.

Ihr Auftritt von damals wurde völlig überlagert von einer folgenden, extrem verstörenden Arbeit von Nina Schopka, die sich ihren Kopf mit Plastik umklebte und dann wie in einen Kokon aus Plastik eindrehte, um sich später (neugeboren?) mit Blick in die Kamera mühsam zu befreien. Gruselig. Die Bedrohungen und Verängstigungen unserer Zeit verkörpernd, denen wir fast nackt gegenüberstehen.

Im starken Kontrast dazu performte Hannah-Sofie Schäfer heute im Kontext einer Ausstellung mit Texten, Zeichnungen und Fotos, die schon seit zwei Wochen zu sehen war: eine sehr sinnliche Auseinandersetzung mit Themen wie Beziehungen, Liebeskummer und Heilung oder auch den Veränderungen ihres Körpers: „Wie sehr entspricht mein Selbstporträt meinem Ich im Jetzt, Jetzt, Jetzt? Wie bilde ich die Veränderung ab, wenn das Ich von eben noch mein Körper von damals war? Und ist dieser Körper, der an mir vorbeiwächst, wirklich meiner?“ Künstlerisches Schaffen als stete Abbildung des Selbst.

Auf die Wand projeziert eine Verhüllungsperformance:

Ich sass hinter einer Dame mit exaltierter Frisur in Rosa und einem Haute-Couture-Oberteil:

Der Auftritt der 1995 in Neunkirchen geborenen Künstlerin beeindruckte mich durch ihren wunderbaren Gesang mit Echoeffekten, ihrer Schauspielkunst in der Interpretation ihrer poetischen Texte und der starken Sinnlichkeit ihrer Erscheinung. Ich machte keine Fotos, um durch das Klickgeräusch nicht zu stören. Danach schaute ich mir Fotos (wohl) einer anderen Performance und die Texte an der Wand an, die sie in wunderbarer Körpersprache rezitiert hatte.

„Sich selbst befragend singt sie sich durch Heilungsprozesse und stellt aktuelle Ideale infrage“, so die Saarbrücker Zeitung. „Von ätherischer Sphäre bis hin zur bedrückenden Gänsehautatmosphäre entwirft die Künstlerin mit ihrer Stimme einen Körper, der im ersten Moment zur Entspannung einlädt und doch stetig Risse enthält“, hiess es weiter. Zwischen den Texten sang sie in englischer Sprache und begleitete sich dabei selbst: aus dem Untergeschoss klang ihre Stimme in verschiedenen Tonlagen übereinander gelegt. Ein Chor mit sich selbst.

Das Körperthema kenne ich, wie alle älter werdende Menschen: Da schrumpfen die Beinmuskeln, da kommen die Falten, da wird das Haar grau… Bloss ein Bauch hat sich bei mir nie entwickelt. Und ich fühle mich weiterhin wohl in mir, nur ein wenig verletzt…

In meiner Wahrnehmung berührt und dankbar verändert verliess ich das Künstlerhaus und merkte, wie sehr dieser Tag rund war, nachdem mein zehnjähriger Sohn mir gestern vom Pianostück „Una mattina“ von Ludovico Einaudi erzählt hatte, das ihn begeistert und das er wohl zu spielen versucht. Ich habe es zum Frühstück gehört. Es berührte mich tief und ich höre es jetzt, während ich diesen Blog beende, erneut in einer Endlosschleife.

Genutzte Quellen: Baronsky-Ottmann, Nicole: „The healing.the voice“: Wie man mit sich selbst im Chor singt, Saarbrücker Zeitung, 06.02.2024; Künstlerhaus Saarbrücken: Hannah-Sofie Schäfer: „Healing“. The Voice; Saarbrücker Zeitung: Klang-Performance und Gedichte im Künstlerhaus, 30.01.2024; Stadt Saarbrücken: The Healing. The Voice.

Die Installation ist noch bis zum 25. Februar zu sehen.

Adresse: Saarländisches Künstlerhaus Saarbrücken e. V., Karlstr. 1, 66111 Saarbrücken, Tel.: +49 (0) 681/37 24 85,

Performances Hannah-Sofie Schäfer © Ekkehart Schmidt

2 Kommentare
  1. Guten Tag,

    Auf der Suche nach Flößereispuren bin ich auf das Gasthaus Bären in Horb gestoßen und weiter auf Ihre Seite und die Flößerei Beschreibung. Hat mich in meiner Flößer Forschung weitergebracht, schönen Dank. Darf ich noch fragen woher Sie diese Information bekommen haben?

    • Hallo Herr Henzler, die Infos habe ich von der Seite der Stadt Horb am neckar gefunden. Ausserdem gab es vor Ort historische Erläuterungstafeln. Schön, dass ich Ihre Recherchen ergänzen konnte!

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