Zum Inhalt springen

Mein Veganuary

Januar 17, 2022

Ich schaffe es nicht, komplett vegan zu leben. Das muss aber ja auch nicht sein. Und ich bin da auch nicht dogmatisch-radikal, hab eher immer als „Flexitarier“ gelebt. Aber ich versuche seit Neujahr, den January zum „Veganuary“ zu machen: Weiter Milch vermeiden, sowie vegane Alternativen zu Joghurt, Butter, Frischrahm, Käse, Hackfleisch, Wurst und Eier suchen und ausprobieren. In den letzten Schritten weiter gehen, nach der ersten Erkenntnis vor 30 Jahren, dass da in der „normalen“ und allgemein akzeptierten Nahrungsmittelproduktion der Umgang mit „Nutztieren“ eine Grenze überschritten hat, die ethisch nicht akzeptabel ist.

Der Veganuary ist ein Projekt einer Initiative und ich habe mich da heute auch angemeldet, aber der Impuls kam nur von diesem anregenden Wort: Ich habe den Januar bisher völlig nach meinem Gusto gestaltet.

Damals öffnete ich bei einem Suchgang eines langweiligen Urlaubstags im provencalischen Dörfchen Quinson einem zufälligen Impuls folgend die Tür zu einem Hühnerbetrieb. Und da war die Idylle vorbei. Auf diese erste Desillusionierung, dass Bauernhöfe nicht mehr so aussehen wie in den Kinderbüchern, folgten in vielen Etappen weitere solche Erkenntnisse.

Aber erst als ich vor anderthalb Jahren verstand, dass Bio auch nur eine Scheinlösung ist, setzte ein Prozess ein, der weit über den Verzicht auf Hühnerfleisch und die Reduktion von Fleisch generell hinausging.

Ich bin da Sarah Maurer sehr dankbar, die mir ab Oktober mit mehreren Videos auf Youtube den letzten Kick gab. Ebenso wichtig war die Erkenntnis, dass tierische Produkte gar nicht besser schmecken. Eine Illusion, von der ich mich zu heilen versuche.

Die Versuchsreihe

Mittagessen auf der Arbeit: Vor-Corona habe ich in meinem damaligen luxemburgischen Stammlokal „Le Relax“ viele viele Dutzend Male eine vegane Suppe mit einem konventionellen Käse-Sandwich gegessen. Dann fast nur noch von Zuhause mitgebrachtes eigenes Essen zum Aufwärmen, bis ich um die Ecke das arabische Lokal „Green Olive“ und mit ihm diese grösstenteils vegane Küche auf der Basis von Gemüse und Hülsenfrüchten entdeckte. Seitdem gibt es deren Essen bei jeder Veranstaltung unseres Vereins etika.

Aber natürlich geht es hier vor allem um die Alltagsküche zuhause. Ich sortiere die rellevanten tierischen Produkte mal in der Reihenfolge, wie schwer mir früher ein Verzicht zu sein schien, beginnend mit „kaum vorstellbar“:

Butter: Es war wohl mein erster Schritt zum Veganismus, letztes Jahr einen „veganen Block“ der dänischen Firma Naturli‘ Foods als Butterersatz auszuprobieren. Die Erkenntnis: Es fehlt nichts, das aus Kokos- und Rapsfett erzeugte Produkt schmeckt auf dem Brot genauso gut wie die Butter auf der Basis von Nutztierhaltung, bei der Kälbchen von ihren Müttern getrennt werden, auf dass diese in Höchstleistung ununterbrochen Milch produzieren. Kürzlich bin ich dann auf den veganen Block von Landkrone Naturkost in St. Ingbert umgestiegen, der auf der Basis von Kokosfett, Sheabutter und Sonnenblumen produziert wird. Er ist genauso streichfähig, aber regional. Erkenntnis: Kein Problem!

Joghurt: ich habe mit dem Bioprodukt aus Sojabohnen Provamel mit Vanillegeschmack und Skyr zwei Alternativen gefunden, die als Beigabe zum morgendlichen Fruchtsalat aus Containerware nach etwas Gewöhnung geschmacklich fast nichts vermissen lassen. Mir persönlich mundet die Konsistenz des Skyrs von Provamel mehr als die der Andechser Molkerei (zu quarkig). Erkenntnis: Kein Problem, man* muss nur etwas herumtesten!

Crème fraîche und Sahne: Es gibt mehrere pflanzliche Alternativen, v.a. Kokosmilch, Hafersahne, pürierter Tofu oder Sojajoghurt mit einem Spritzer Zitrone für den säuerlichen Geschmack. Erkenntnis: Noch keinen geschmacklich guten Ersatz gefunden

Käse: Man muss ein wenig suchen und ausprobieren, bis sich befriedigend-leckere Alternativen für Frischkäse, Feta, Gouda-Ersatz oder Pizzastreu finden. Das ist nicht einfach. Ich kann zumindest für letztere beiden die Produkte von Veggi Filata empfehlen (in Bio-Qualität auf der Basis von Kokosfett). Als Feta-Ersatz habe ich „Goudi“ der slowenischen Firma sayve entdeckt, ein Produkt auf der Basis von Weizenstärke mit Kichererbsen, ähnlich gut ein Produkt aus Soya: Soyananda – beide sind mehr als ein Ersatz, sondern bieten ein ganz neues Geschmackserlebnis. Ganz ähnlich „Der Genussige Mediterran“ von veganz auf der Basis von Cashew: schön cremig. Und die „bedda Scheiben Bockshornkle“ sind ganz nah am Original. Am wichtigsten aber: Mit „come on bert“ von bedda habe ich eine wunderbar cremige Camembert-Alternative auf der Basis von Kartoffeln und Raps gefunden. Schliesslich mit „Hirtengenuss“ von SimplyV sogar einen halbwegs guten Feta-Ersatz auf Mandelbasis. Erkenntnis: Kein Problem!

Weiter verarbeitete Eier: Ich habe vor etwa zwei Monaten aufgehört, Eier zu kaufen, seitdem ich gelernt habe, dass sich hier die Mechanismen der Bio-Produktion kaum von denen der konventionellen, ethisch absolut inakzeptablen Herstellung unterscheiden. Ich bin aber noch irritiert von der Erkenntnis, dass fast die Hälfte aller produzierten Eier „unsichtbar“ und oft ungenannt in konventionell erzeugten Lebensmitteln wie Eiernudeln, Keksen, Kuchen oder Mayonnaise verarbeitet werden. Also auch in Produkten, in denen man sie nicht unbedingt vermutet. Bei Bio-Produkten werden sie jedoch immer erwähnt. Erkenntnis: Kein Problem!

Eier in Backwaren: Es braucht sie nicht. Feuchter Rührteig für Kuchen gelingt mit Apfelmus statt Eiern genauso gut und Pfannkuchen wird fluffig mit Sprudel … (weitere Tipps bei Chrismon). Erkenntnis: Kein Problem!

Hackfleisch: Veggie Hack von emidori (ehemals amidori) auf der Basis von Erbsen. Andere Ersatzprodukte für Hackfleisch – ob auf der Basis von Soja, Sonnenblumenkernen oder Lupinen haben mir nicht wirklich geschmeckt – und ich brauche sie im Alltag auch nur als Zutat für meine seit den Studententagen so geliebten „Spaghetti Bolognese“ mit viel Gemüse, die einen gewissen kräftigen Geschmack hineinbringt. Was ähnlich gut funktioniert ist die Beigabe scharf angebratener Auberginenscheiben. Erkenntnis: Kein Problem! Nachdem ich noch ein bis zwei Mal rückfällig geworden bin, der Geschmacksunterschied aber erstaunlicherweise nicht dolle war, bin ich geheilt.

Würstchen: Ich liebe sie. Nicht als Curry- oder Weisswurst. Aber den im Saarland weit verbreiteten „Käsegrillern“ und „Merguez“ konnte ich bis Mai 2021 kaum widerstehen. Dann containerte ich 50 tiefgefrorene Würstchenpakete und erlebte deren Verzehr als letztes Aufbäumen. Dieses Wochenende habe ich die letzte Packung gegessen. Seit 2020 habe ich diverse Würstchen aus Pilzen oder Seitan ausprobiert, ohne den perfekten match mit meinem Gaumen zu erleben (so kam ich zu dem Schluss, dass ich das gar nicht brauche). Erkenntnis: Im Prinzip kein Problem, aber nicht geheilt

Grillfleisch: Hier im Saarland wird (fast) ganzjährig geschwenkt. Wird man* eingeladen, ist es seit Kurzem nicht mehr nötig, vegane Würstchen oder Grillkäse mitzubringen: Die lokal produzierenden „Vegabunden“ haben kürzlich mit ihrer Erfindung eines veganen „Batzens“ Furore gemacht. Probiert habe ich sie noch nicht. Erkenntnis: Kein Problem!

Fleischkäsweck: Auch dies ist eine saarländische Besonderheit neben Schwenkbraten und „Lyoner-Wurst“, auf die ich allerdings schon wenige Jahre nach meiner Zuwanderung 1994 verzichte – zu sehr war mir offensichtlich, dass sie aus Fleischresten bestehen. Und eine Biovariante gab es bislang nicht. Die Vegabunden haben sich aber auch daran gewagt: Mittlerweile produzieren sie einen veganen Vleischkees (und das Bätzchen und das Gebätzelte – was immer das ist). Erkenntnis: Kein Problem!

Wurst: Die Vegabunden produzieren auch „Schwarzwälder Vegabunden“, einen geräucherten Brotbelag auf Seitanbasis, verfeinert mit Misopaste, den ich mal probieren mag. Ich war schon Mitte 2021 mit einem Wurstersatz von „denree“ in drei Geschmacksrichtungen fündig geworden, die mein Biomarkt anbietet: Ich kaufe seitdem regelmässig die „orientalische“ Variante auf Weizenbasis, die ich mir auf ein veganes Frischkäsebrot lege. Sehr viel saftiger, aber ohne Geflügelfleischc, schmeckt die vegane Salami von Green Legend. Der beste Fund war ein veganer Aufschnitt von Topas Wheaty namens „Sucuk„. Er wird auf Weizen- und Seitanbasis produziert und seinen leicht scharfen Knoblauchgeschmack empfinde ich vor dem Hintergrund vieler Türkeireisen als ganz besonders köstliche Erinnerung. Er gehört jetzt zu den Standards jeden Einkaufs. A propos: Ich muss hier gestehen, dass ich a) ab und an noch mit konventioneller „Pizza Sucuk“ sündige und auch bei Chorizo schwer in Versuchung geführt werde und b) sich die Kinder oft Wurst oder Schinken wünschen und ich ihnen das zugestehe. Was Fleischsalat angeht: Da gibt es von bedda das Produkt „wie Fleischsalat“: nicht schlecht Erkenntnis: Insgesamt kein Problem!

Fisch und Meeresfrüchte: Von beidem habe ich selten gegessen, bis auf Bio-FSC-Thunfisch und Pulpo für Spaghettisossen. Meine ehemalige Lieblingspizza „Frutti di Mare“ bestelle ich aber seit etwa drei Jahren nicht mehr, weil es sie nur konventionell gibt – also mit der Überfischungsproblematik. Ich habe seit einem Jahr auch kaum noch diese Spaghettivariante gekocht, werde damit aber wieder anfangen. Wieso? Wegen des Mangels von Omega3-Fettsäuren durch vegane Ernährung. Die besten Nahrungsquellen dafür sind fettreiche Seefische wie Hering, Lachs, Makrele, Thunfisch und Sardine, aber auch Lein-, Nuss- und Rapsöle. Erkenntnis: Es ist kompliziert …

Honig: Wegen der Biodiversitätskrise rund um Bestäuber ist mir das kein Thema und ich finde einen Verzicht auch als zu dogmatisch. Erkenntnis: Nicht mein Thema!

So, das war meine selbst erarbeitete Liste. Bei Veganuary gibt es eine von den Profis: Essenzielle vegane Lebensmittel.

Erste Erkenntnis

Mein vorläufiges Ergebnis dieses Testmonats: Ich vermisse nicht viel. Nur beim Käse ist noch ein dickes geschmackliches Brett zu bohren… Aber es wäre ja nicht schlimm, wenn ich als „Flexiganer“ zwei Bio-Pizzen und einen Harzer Käse pro Monat esse. Und da die Kinder morgends Milch zu den Schokokissen und abends Frischkäse und Emmentaler lieben, auch dies alle zwei Wochen.

Und: Ich sollte mich davon lösen, immer im gleichen Bio-Markt einzukaufen, um mehr Auswahl zu haben. Leider ist „Tante Emmas Veganeria“ just letzten Monat aus der Stadt raus aufs Land gezogen. Ich war nie da, jetzt muss ich nach anderen Läden suchen, die weitere Alternativen bieten. Ausserdem ist jetzt auch darauf zu achten, Mängelerscheinungen nicht nur bei bei Omega 3 Fettsäuren, sondern auch bei Calcium, Eisen, Jod, Zink, Selen und den Vitaminen B2, B12 und D vorzubeugen.

Ich wäre sehr froh und euch sehr dankbar, wenn wir hierzu einen kleinen Erfahrungsaustausch initiieren könnten! Keine Angst: Ich missioniere nicht…

Mehr zum Thema Fleischersatz

Mein Veganuary © Ekkehart Schmidt

From → Anders leben

Kommentar verfassen

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..