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Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg

Februar 2, 2015

„Alfred Hitchcock und die Klosterklos“ klang mir als Titel für einen Blogeintrag ein wenig erzwungen, aber man kann einen Zusammenhang zwischen Kinoklassikern und einer wunderbar erhalten gebliebenen Toilettenanlage herstellen. Dazu ist heutige Place du Théâtre in der luxemburgischen Altstadt ein Zeitsprung ins 18. Jahrhundert nötig: Den Platz kennen die meisten vom dortigen Parkhaus, der Cinémathèque oder dem Kapuzinertheater. Nur die wenigsten hinterfragen den Namen des Theaters. Täten sie es, würden sie erfahren, dass sich am Nordrand des Platzes von 1623 bis 1795 ein Kapuzinerkloster befand, dass sich hinter den dortigen hohen Bauten noch ein ebenso großer Innenhof befindet und der Platz selber wahrscheinlich auf den damaligen Klöstergärten errichtet wurde. Französische Truppen lösten das Kloster auf und vertrieben die Mönche, um die Gebäude als Munitionsdepot und somit Teil der Befestigungsanlagen zu nutzen. Im Anschluß an die Schleifung der Festung nach 1867 gingen die Gebäude in den Besitz der Stadt über. Da es hier damals wenig Grünflächen gab, wurde auf dem Platz ein „Englischer Garten“ eingerichtet, der aber nur wenige Jahrzehnte überlebte: 1913 wurde hier die Endstation der Tramlinie eingerichtet, die bis 1964 den Norden der Stadt bediente.

Die ehemalige Klosterkirche wurde zwischen 1869 und 1964 als Stadttheater genutzt. Im ehemaligen Foyer des Klosters, das nach 1795 als Magazin, Lebensmittellager und Garnisonsbäckerei gedient hatte, zog dann 1985 – nach einer vollständigen Renovierung – das Kapuzinertheater. Ein anderer Teil des Klosters wurde in das Ciné Vox umgewandelt, dessen Vorführräume die 1975 als hauptstädtisches Filmarchiv gegründete Cinémathèque 1977 übernehmen konnte (das Filmarchiv selbst befindet sich heute auf der Clôche d’Or). Im Sommer wird zudem der von einem Café genutzte Innenhof des Kapuzinertheaters als Open-Air-Kino genutzt. Schließlich entstand in den 1980er-Jahren unter dem zentralen Klosterhof das unterirdische Parkhaus, über dem eine Gaukler-Skulptur der Künstlerin Bénédicte Weis aufgestellt wurde. Damit fand die komplette Umwandlung des Klostergeländes seinen (vorläufigen) Abschluss.

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Ich mag Klöster und empfinde daher in dieser Geschichte keine Genugtuung. Aber umgenutzte, quasi recycelte städtische Räume machen mich neugierig. Ob der Kinosaal mit seinen Ölkopien berühmter Filme, die mich als Saarbrücker an das Filmhaus erinnern, einmal die Klostermensa war? Sicher ist, dass dieser schöne Kinosaal der letzte seiner Art im Stadtkern ist.

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten also: Bei einem halben Dutzend beruflicher Kinobesuche im Rahmen der etika-Serie „Le Monde en doc“ und den Preisverleihungen des „Créajeune“ Videofilmfestivals der Großregion gab es immer einen Anlass für ein schnelles Angstpippi, kurz bevor ich  „in die Bütt“ musste. Auch letzte Woche wieder. In der Cinémathèque hiess das: Ab in den Keller. Rechts neben der imposanten Haupttreppe mit den Gemälden und Plakaten von Stars der Kinogeschichte ist für Männer, links für Frauen. Ein besonderes Erlebnis: Faszinierend, dass im Sanierungswahn diese wunderbare Anlage noch nicht zerstört wurde.

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg  © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

Ist das hier jetzt gruselig oder nur museumsreif? Steve Hoegener erzählt, dass man hier nach den spätabendlichen Vorstellungen, „wenn sich die Stille wieder über den Saal und das alte Treppenhaus legt“, wie eine schwarz behandschuhte Hand um den zarten Hals einer blonden Schauspielerin“ Hitchcock begegnen kann. Um diese Zeit soll der Meister des Horrors höchstpersönlich in den unterirdischen Räumen umgehen. OK, das werde ich nicht überprüfen können, wohl aber, was sich in diesem Gebäude früher befand und wann die Toilettenanlage eigerichtet wurde. Ich werde bei unserer nächsten Veranstaltung nachfragen.

Adresse: 17, Place du Théâtre, L-2613 Luxembourg, Tel.: +352 29 12 53, http://www.cinematheque.lu

Verwendete Quellen: Hoegener, Steve: D’Zinnemathéik, Ons Stad 105, 2014, S. 72-73; Grunwald, Aaron: At second glance. Civilised spot, in: City Magazine Luxembourg, February 2015, S. 29

Die Toiletten der Cinémathèque_Luxemburg © Ekkehart Schmidt

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