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Bistro Monique_Saarbrücken

Für mich als Mann klingt Monique ganz anders als Monika. Eher nach Dessous, denn nach Verhärmtheit. Doofe Klischees. Aber wenn ein Lokal sich „Bistro Monique“ nennt, also die Wirtin im Namen nennt, ist das in Saarbrücken anders als etwa in Luxemburg. Diese französische Variante klingt persönlicher, die Bedeutung der sicherlich kommunikativen Wirtin betonend. Interessantwerweise leitet sich der lateinische Namen Monika ganz im Gegenteil von monachus (der Einsiedler, der Mönch) und monere (beraten, warnen) ab. Im übertragenen Sinne wäre Monique „die Einsiedlerin“ oder „die Mahnerin“.

Hier, in der Deutschherrenstrasse 25 ist das Bistro nur eines von vielen geschlossenen Lokalen, deren Historie ich nicht kenne. Es ist zu und tot, offensichtlich. Wenn ich mich richtig erinnere, schon seit längerem. Bald werden die letzten Zeichen der früheren Nutzung verschwunden sein. Und hoffentlich auch eine andere Farbe aufgetragen werden….

Als ich heute vorbei kam, sah es noch genauso tot aus wie 2022, als ich mich ihm fotografisch näherte. Nur, dass ich durch das Fenster sah, dass da jetzt eine Wohnung drin ist.

Faszinierend vor allem, dass es sich hier die Eigentümer entweder nicht leisten konnten, nach der Sanierung die das Fenster verkleinernde Austrotherm-Platten zu verputzen, oder es ihnen einfach egal war. Ganz abgesehen davon, dass niemand es für nötig erachtet, das alte Bistro-Schild abzuschrauben. So entstand eine bemerkenswert triste Symphonie in rosa-grau-blau.

„Street Art“ ist das aber noch nicht. Dazu bedürfte es noch eines warmen Grüns, als Komplementärfarbe zu diesem Pink, eines Kommentars durch einen Graffitikünstler oder einer ästhetischen Äusserung der dort nun wohnenden Menschen. Ich sah heute nur eine weisse Gardine hinter der hochgezogenen Jalousie – respektive Rollade.

Adresse: Deutschherrnstr. 25, 66117 Saarbrücken

Bistro Monique_Saarbrücken © Ekkehart Schmidt

Bauernstube/ Gerçek Grill/ Taksim Cumali_Jägersfreude

Am unteren Ende des Sulzbachtals mit seiner langen Bergbaugeschichte, gab es in Jägersfreude ehedem ein Dutzend Kneipen. Nur zwei haben überlebt: die ehemalige „Bauernschenke“ und „Zum Hubertus“. Heute gibt es hier neben diesen Lokalen nur noch das später entstandene „Holzhauser“ und einen Imbiss. In der Dudweiler Str. 20 machte etwa im Mai 2021 der „Gerçek Grill“ in den Räumen des früheren „Grillrestaurant Die Bauernstube“ auf. Das imposante Gebäude ist eine echte Landmarke:

Nach aufwändiger Sanierung und Umgestaltung unter anderem der überdachten Terrasse nach hinten, machte den neuen Inhabernmit türkischer Migrationsgeschichte jedoch Corona einen bösen Strich durch die Rechnung. Nach der Pandemie wurde wieder eröffnet, aber dann fand ich an der Eingangstür einen Zettel: „Aufgrund eines Wasserschadens sind wir gezwungen, das Geschäft vorübergehend zu schließen. Sobald der Schaden behoben ist, sind wir wieder für euch da“. Das passierte allerdings nicht. Das Lokal schien dauerhaft geschlossen. Ich möchte nicht wissen, welche Schulden die Inhaber als Kollateralschaden einer überzogenen Lockdown-Politik heute zu tragen haben.

Das war umso tragischer, als der etwa 1975 entstandene Vorgängerbetrieb einen sehr guten Ruf hatte, es 1999 sogar in einen Restaurantführer für das Saarland schaffte. Die vom Inhaber und Küchenchef Klaus-Günter Koch betriebene Bauernstube verfügte über drei Gasträume mit 120 Sitzplätzen. Testerin Ingrid Koellmann lobte in ihrem Beitrag das “wundervoll zarte Fleisch vom bewährten Metzger“, das „appetitlich angerichtete Salatbuffet“, den „typischen Duft des Buchenholzgrills, der die Räume durchzieht“, die hellen Bauernmöbel, den großzügigen Anbau der überdachten Terrasse, den freundlichen Service und natürlich die Speisekarte mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Die offene Feuerstelle war wohl das Herzstück der Bauernstube und ist sicherlich vom „Gerçek Grill“ übernommen worden.

Gut, dass ich hier letztes Wochenende noch einmal vorbeikam: Die Tür stand offen und ich nahm mehrere eifrig herumwuselnde Männer wahr. Drinnen standen neue, noch leere Vitrinen, von denen eine aber gerade mit Kebabspiessen gefüllt wurde, während ein Mann vorbeihuschte, der mit der Deko der attraktiv mit Tellern und Servietten bestückten Tische im Hauptraum beschäftigt war. An der Decke Dutzende umgedrehte Regenschirme in Regenbogenfarben: Wohlfühlatmosphäre.

Ein dritter tauchte aus der Küche auf, erwies sich als ein neuer Pächter und wir kamen ins Gespräch: In einer Woche sei Eröffnung! Routiniert schilderte mir der cool-dynamisch wirkende Mann, dass er früher das Restaurant „Hasankeyf“ in Dillingen betrieben habe und hier nun eine ähnliche Küche bieten wolle: kurdisch-türkisch-arabisch. Also fleischlastige Grillgerichte, die Tradition der Bauernstube in eine neue Zeit führend.

Zwar hängen draußen noch die alten Gerçek-Schilder, aber das hier werde „Taksim Cumali“ heißen. Der erste Namensbestandteil nimmt Bezug auf einen zentralen Platz im modernen Istanbul, der aus verschiedenen Gründen zum Symbol im Kampf gegen den türkischen Nationalismus wurde, der zweite bedeutet „an einem Freitag geborenes Kind“. Hasankeyf ist ein historischer kurdischer Ort, der trotz internationaler Proteste bei einem Staudammprojekt überflutet wurde.

Einige Meter weiter in Nr. 30 findet sich der Imbiss „Gerçek Pizza Kebab“. Hier herrschte in den letzten Jahren meist durchgängig Hochbetrieb. Auf den Gerçek Grill angesprochen, sagt mir ein Mann, beide Lokale hätten nichts miteinander zu tun. Die Namensgleichheit sei Zufall. Und tatsächlich bezeichnet dieser türkische Begriff etwas Authentisches, Wahres, Reines – ganz ähnlich auch „Öz“, einem Namensbestandteil vieler anderer türkischer Restaurants.

Verwendete Quelle: Koellmann, Ingrid: Die Bauernstube, in: Bierle, Klaus (Hg.): Restaurantführer Saarland, 2. veränderte Auflage, Neustadt an der Weinstraße 1999, S. 65-67

Bauernstube/ Gerçek Grill/ Taksim Cumali_Jägersfreude © Ekkehart Schmidt

Vereinsheim FC Türkiyem Sulzbach

Gut 15 Jahre habe ich mich beruflich mit Fragen der Integration von Migrant:innen beschäftigt und dabei neben den typischen Themen auch den Sport entdeckt, mich sogar privat beim türkischen Verein TSV Dostluk in Saarbrücken engagiert, wurde Vorstandsmitglied und Torwart in der Kreisliga und spielte gegen manch anderes Team mit Migrationsgeschichte. Niemals aber gegen den FC Türkiyem Sulzbach (von deren Existenz wir natürlich wussten), weil die in einer anderen Kreisliga aktiv waren: A, wir waren B.

So war ich vor gut fünf Jahren ordentlich elektrisiert, als mir bei Rechercheradtouren durch das Sulzbachtal über dem Eingang einer wohl schon sehr lange geschlossenen Kneipe in der Sulzbachtalstrasse 7 plötzlich eine sehr verblichene ehemalige Leuchtreklame dieses Vereins ins Auge fiel. Offenbar waren sie so gut organisiert, dass sie sogar ein Vereinslokal hatten (wir trafen uns zwar auch in einem türkischen Kebab-Lokal in Malstatt zu unseren Vorstandsitzungen, aber nur als Gäste).

Ich kam da noch ein paar Mal vorbei, immer neu fasziniert von diesem stark heruntergekommen wirkenden Bau. Aber erst heute hatte ich die Ruhe, nach einem Gespräch mit Anwohnern den Tipp zu bekommen, einmal Herrn Bier zu fragen. Der wohne um die Ecke, sei schon 80 und kenne alles hier. Ich klingelte und wurde über die Gegensprechanlage gleich umstandslos hochgebeten. Er wird zwar erst im Juni 78, kokettierte etwas mit seinem schwindenden Gedächtnis, war aber sofort bereit, mir Auskunft zu geben: Im Eckhaus habe sich früher die Gastwirtschaft „Zum Treffpunkt“ befunden. Das sei nur so ein schmales Lokal mit „Stehbier“ gewesen, mit einem Eingang ganz rechts, der heute zugemauert ist.

Ich fragte nach, weil das Lokal zuletzt ja eher das gesamte Erdgeschoss umfasst haben muss, wenn ich den Ventilator in einem der vier zugemauerten ehemaligen Fenster eingangs der Feldstrasse nicht falsch interpretiere.

Es dauerte eine Weile, bis mir das Herr Bier erklären konnte, oder – besser gesagt – all die Erinnerungen aus den 77 Jahren, die er hier schon im gleichen Haus wohnt, in die von mir verlangte richtige Reihenfolge brachte. Ursprünglich sei der Hauptmieter des Hauses die Firma „Asko Radio“ gewesen. Als die schliessen mussten, übernahm die Gastwirtschaft alle Räumlichkeiten. So genau wisse er das nicht mehr. Aber wahrscheinlich habe die Kneipe schon zu seiner Kindheit als Bergarbeiterlokal existiert. Er sei halt kein Kneipengänger gewesen. Und war auch nicht unter Tage, sondern habe als Dreher für eine Firma gearbeitet, die hier für den Bergbau Förderbänder produziert hat.

Und der FC Türkiyem Sulzbach? Im Kicker findet sich eine Erwähnung: Der Ende 1991 gegründete Verein ist noch aktiv, sein Sitz ist jetzt aber in der Pastor-Theis-Straße in St. Ingbert.

Vereinsheim FC Türkiyem Sulzbach © Ekkehart Schmidt

Hotel Maroi_Klösterle am Arlberg

Wir hatten jetzt eine Woche Skiurlaub, der ursprünglich vor allem ein Schnee-Urlaub sein sollte, weil die Kinder nach unserem Sommer 2023 in Stuben am Arlberg Fotos vom Winter sahen und auch einmal meterhohen Schnee erleben wollten. Aber es war meine Illusion, zu glauben, dass sich die Jungs mit Rodeln und Spaziergängen würden begnügen wollen. Volles, teures Programm also. Gut, dass ich letzten Herbst ein preiswertes Hotel, etwas von Stuben entfernt, gebucht hatte. Sonst müsste ich jetzt einen Kredit aufnehmen…

Das gewählte Hotel „Maroi“ kostete 1.155 Euro für sieben Nächte für drei Personen mit Frühstück und war damit deutlich preiswerter als alles andere – aber deshalb keinen Deut schlechter: Wir haben uns sehr wohl gefühlt. Und auf diversen Hotelportalen wurde das ähnlich gesehen: Höchstnoten. Letztlich war die Wahl sogar perfekt, weil sich das im Sommer erkundete Freizeitgebiet „Sonnenkopf“, das uns damals eher für kleinere Kinder geeignet erschien, im Winter als perfekter Ski-Ort für Erwachsene wie Kinder entpuppte. Mit einer Seilbahn hoch, die nur rund 500 m vom Hotel entfernt abhob. Und Schnee satt! Am ersten und am letzten Tag waren wir auch in Stuben in Sommer-Erinnerungen schwelgen, aber hier war es für uns eindeutig besser.

Ich war ja etwas traumatisiert von enttäuschten Kindern damals im „Kohlerhaus„, die sich wie in einer Absteige fühlten, während ich froh war, noch ein authentisches schönes Hotel gefunden zu haben. Als wir hier nach langer Zugfahrt abends ankamen, waren sie glücklich! Während mir das Interieur etwas sehr luxussaniert vorkam. Ich begann, das anders zu sehen, als mir die ersten Gespräche mit der Leiterin, Daniela Pisoni, verdeutlichten, welcher Druck auf der Branche lastet.

Die Mutter begann vor 55 Jahren mit einem kleinen Gästebetrieb, bekochte die Leute, ihre Kinder sind hier im Haus geboren, auch Tochter Daniela. Später entstand eine Pension und es gab einen ersten Umbau, dann wurden „Pensionen“ nicht mehr gestattet, die Umwandlung in ein Hotel wurde erzwungen – was ökonomisch nicht einfach war. Man ahnt es im Eingangsbereich:

Das Familiäre dieser Geschichte wird dem Gast auf dem Weg zu seinem Zimmer (unseres war die Nr. 8 von 10) in der Inneneinrichtung in einigen historischen Fotos präsentiert. So auch der – offenbar früh verstorbene – Vater auf einem Motorrad im Treppenhaus.

Pisoni scheint hier ein altbekannter Name zu sein, es gebe drei Familien hier, und in Südtirol auch ein Weingut diesen Namens. Aber das ist keine besondere Zuwanderungsgeschichte, sondern normal hier im Klostertal.

Wir fühlten uns sofort wohl und auch der Blick aus dem Fenster war nicht ernüchternd: Ein Hühnerhof und Berge, aus denen morgends der Nebel hoch zu den Höhen stieg, in denen frischer Schnee gefallen war.

Sehr positiv fiel mir die Holzbehandlung auf: Das sei geschliffenes Altholz („gehackt und gebürstet“), erklärte mir Danielas Mann, ein Tischler: Sie sind dabei, alles schrittweise zu sanieren, bei der 40 Jahre alten Einrichtung sei das unumgänglich. Original erhalten bleiben bislang nur noch die Haustür, die Heizungsverkleidung und die Esszimmertrennwände: Das müsse sein, die Ansprüche der Kunden wachsen.

Wir legten unsere Sachen ab und erkundeten das Haus: Die Frühstücks- und Aufenthaltsräume waren sehr einladend, leider begegneten wir dort nie anderen Gästen.

Das Dekor war mir etwas zu sehr die Winterurlaubsklischees bedienend: Edelweiss, Hirsch, Sterne, Schneeflocken und Herzen im Vintagestil, aber die alten Familienfotos in Holzrahmen retteten diesen belanglosen Stil etwas. Auch das Frühstück war für meine Ansprüche viel zu konventionell, also Brötchen mit Wurst und Käse, dazu Müsliangebote und guter Kaffee, aber nichts in Richtung bio oder vegan. Das gehe nicht, man rechne als kleiner Betrieb sehr genau, hörte ich.

Die Abende nach dem Skifahren verbrachte ich im überdachten Vorraum bei leckerem Espresso:

Hinterm Haus, leise, fahren die Züge nach Innsbruck und Wien sowie Stuttgart und Saarbrücken. Zum Skilift auf den Sonnenberg waren es 10 Minuten. Es war toll, wir hatten eine sehr gute Zeit. Wehrmutstropfen: Nahebei gibt es zum Abendessen nur einen Imbiss. Aber für mittags durften wir uns immer Butterbrötchen schmieren…

Adresse: Ob. Gasse 91, 6752 Wald am Arlberg/ Österreich, Tel: +43 5585 7259, Homepage

Hotel Maroi_Klösterle am Arlberg © Ekkehart Schmidt

Mein vergeblicher Veganuary 2024

Nach einer Weihnachtszeit mit viel Wurst (immerhin containered) und Fleisch (ich hätte Mutterns traditionelle Rouladen nicht auch noch verweigern dürfen, nachdem meine Kinder schon lange Zähne machten) sowie einem Silvester mit viel Käse (die gute, feinschmeckerische Idee meines 11jährigen) war ich froh, dass wieder Veganuary ist. Das hilft, den noch immer nicht ganz abgebauten oder entwöhnten Gelüsten zu widerstehen.

Dieser besondere Januar begann schon am 30. Dezember, als ich das erste Mal in meinem Leben einen veganen Marmorkuchen gebacken habe: mit Hafer- statt Kuhmilch und geschmacksneutralem Rapsöl als Butterersatz: Sehr lecker, kam bei meinen Freund:innen überraschend gut an! Das gab Kraft und machte Mut. Leider war zunächst die erste Januarwoche doch recht ernüchternd… Erst dachte ich, dass ich schn noch richtig hineinkommen werde, aber das erwies sich als falscher Erfahrungsweert aus meinen ersten zwei möglichst veganen Januaren 2022 und 2023.

Es gab drei Hindernisse: containerte Fleischware, Überbleibsel der Feiertage, die ich ja nicht einfach in den Müll werfen mag… Zunächst bis zum 6. Januar die Käsereste meines Sohnes, dann das Zuviel an Milch, das sich die Kinder auf die Frühstücks-Schokokissen gekippt hatten. Schliesslich der edle Südtiroler Schinken aus der Biotonne meines Supermarktes, den ich am 5. Januar zu meinen Spaghetti gab (deren Reste ich wohl am 9, Januar noch tilgen werde). Und dann das liebe Geschenk meiner Mutter bei der Abreise: ein Paket Bavaria Blue, mein Lieblingskäse, den es im Bioladen nicht gibt und den sie mir jetzt so besorgt, wie ich ihr seit einem Jahrzehnt zu Weihnachten biofairen Wildkaffee aus der Kaffa-Region in Äthiopien schenke. Und im Büro liegen jeden Montag Croissants und andere Leckereien mit Butter zum Verschenken – gespendet von der Frau eines Kollegen, die Wegwerfware des Supermarktes, in dem sie arbeitet, spendet. Mein Veganuary wird also erst dann so richtig starten, wenn der Blauschimmelkäse aus Bayern weg istm dachte ich. Verzeihlich, fand ich.

Gut. Aber ich habe auch einmal echt gesündigt: am 6. Januar wählte ich beim Essen in der Lieblingspizzeria wieder „Diavolo“, also Käse und scharfe Wurst. Immerhin: ch nehme jetzt alles wahr, das von Kühen stammt (für andere nicht-vegane Produkte habe ich längst einen besseren Ersatz gefunden). Beim Veggie-Treff wenig später in der „Osteria“ in Saarbrücken habe ich dann aber eine Pizza mit veganem Thunfisch gewählt.

OK. Wenn ich denn einmal gekocht habe, war ich konsequent: eine rote Bete-Suppe, ein Ratatouille aus gerettetem Gemüse bei einer „Küfa“ im Haus der Nachhaltigkeit sowie Reis mit persischer Beilage aus der Dose. Das immerhin klappt.

Stand 15. Januar verstehe ich, dass man als Veganer:in nicht im luftleeren Raum essen kann, sondern Kinder hat, die man nicht bevormunden will (und deren Reste isst), sowie andere, die einen bekochen oder einem liebevoll-wohlwollend etwas schenken, das nicht abzulehnen ist. Denn: Wegzuwerfen, was einmal da ist, wäre Käse. Das Problem erledigte sich diesmal aber nicht nach ein paar Tagen, sondern blieb konstant. Zum Frühstück Fruchtsalat mit Milchresten, ein paar Tage aber auch mit einem reduzierten Joghurt (die Billig-Gier), mittags immer vegan und abends weder das Resteproblem…

Ende Januar hatte sich an diesem Problem nichts geändert. Ich habe noch mehrfach gesündigt; hier eine konventionelle Pizza, als ein Freund meines Zehnjährigen zu Besuch war, da ein Käsesandwich in der kurzen Zeit zwischen Rückkehr aus Luxemburg und einem Termin (ich hätte das vorausbedenken müssen und schon morgends ein veganes Sandwich schmieren müssen), da eine Erkältung, zu der ich Ingwertee mit Honig(resten) kochte …

Abrupt tierische Produkte völlig abzusetzen geht also nicht oder wäre Quatsch, denn ich bin niemand, der vegan werden will, weil er Ekel empfindet, sondern weil ich die Produktionsmethoden nicht unterstützen mag. Als Konsument und Wirtschaftswissenschaftler glaube ich an die Theorie von Angebot und Nachfrage: Ich will langfristig, jeden Monat, immer weniger tierische Produkte nachfragen und hoffe, dass diese Information bei den Anbietern ankommt, auf dass sie sich anpassen.

Mein vergeblicher Veganuary 2024 © Ekkehart Schmidt

Performances Hannah-Sofie Schäfer

Ich schaue mir selten Performances an. Zwar beeindrucken sie immer wieder, sagen mir aber selten etwas. Das war im letzten Vierteljahr anders: alle drei, die ich erlebt habe, hallen nach und rühren etwas in mir selbst. Das wurde mir erst vorhin klar, als ich die Gefühle der Performance „Healing“ von Hannah-Sofie Schäfer im Saarländischen Künstlerhaus buchstäblich spürte.

Nach der etwa halbstündigen intermedialen Aufführung sprach ich sie an: Ja, sie war es, die mich schon am 31. Oktober bei der „Nacht der schönen Künste“ stark beeindruckt hatte. Damals kam sie aus einer Seitentür hereingehuscht, den Mikrofonständer in ihrer Nachthemdschärpe verknotet hinter sich her ziehend und sich dann in furchtbarem Lampenfieber vor das Publikum zu stellen, sich zu beugen und zu winden, um sich schliesslich, vor ihrer Auftrittsangst kapitulierend, auf dem Boden zu wälzen. Nicht ohne ein ordentliches Stück Erotik.

Ihr Auftritt von damals wurde völlig überlagert von einer folgenden, extrem verstörenden Arbeit von Nina Schopka, die sich ihren Kopf mit Plastik umklebte und dann wie in einen Kokon aus Plastik eindrehte, um sich später (neugeboren?) mit Blick in die Kamera mühsam zu befreien. Gruselig. Die Bedrohungen und Verängstigungen unserer Zeit verkörpernd, denen wir fast nackt gegenüberstehen.

Im starken Kontrast dazu performte Hannah-Sofie Schäfer heute im Kontext einer Ausstellung mit Texten, Zeichnungen und Fotos, die schon seit zwei Wochen zu sehen war: eine sehr sinnliche Auseinandersetzung mit Themen wie Beziehungen, Liebeskummer und Heilung oder auch den Veränderungen ihres Körpers: „Wie sehr entspricht mein Selbstporträt meinem Ich im Jetzt, Jetzt, Jetzt? Wie bilde ich die Veränderung ab, wenn das Ich von eben noch mein Körper von damals war? Und ist dieser Körper, der an mir vorbeiwächst, wirklich meiner?“ Künstlerisches Schaffen als stete Abbildung des Selbst.

Auf die Wand projeziert eine Verhüllungsperformance:

Ich sass hinter einer Dame mit exaltierter Frisur in Rosa und einem Haute-Couture-Oberteil:

Der Auftritt der 1995 in Neunkirchen geborenen Künstlerin beeindruckte mich durch ihren wunderbaren Gesang mit Echoeffekten, ihrer Schauspielkunst in der Interpretation ihrer poetischen Texte und der starken Sinnlichkeit ihrer Erscheinung. Ich machte keine Fotos, um durch das Klickgeräusch nicht zu stören. Danach schaute ich mir Fotos (wohl) einer anderen Performance und die Texte an der Wand an, die sie in wunderbarer Körpersprache rezitiert hatte.

„Sich selbst befragend singt sie sich durch Heilungsprozesse und stellt aktuelle Ideale infrage“, so die Saarbrücker Zeitung. „Von ätherischer Sphäre bis hin zur bedrückenden Gänsehautatmosphäre entwirft die Künstlerin mit ihrer Stimme einen Körper, der im ersten Moment zur Entspannung einlädt und doch stetig Risse enthält“, hiess es weiter. Zwischen den Texten sang sie in englischer Sprache und begleitete sich dabei selbst: aus dem Untergeschoss klang ihre Stimme in verschiedenen Tonlagen übereinander gelegt. Ein Chor mit sich selbst.

Das Körperthema kenne ich, wie alle älter werdende Menschen: Da schrumpfen die Beinmuskeln, da kommen die Falten, da wird das Haar grau… Bloss ein Bauch hat sich bei mir nie entwickelt. Und ich fühle mich weiterhin wohl in mir, nur ein wenig verletzt…

In meiner Wahrnehmung berührt und dankbar verändert verliess ich das Künstlerhaus und merkte, wie sehr dieser Tag rund war, nachdem mein zehnjähriger Sohn mir gestern vom Pianostück „Una mattina“ von Ludovico Einaudi erzählt hatte, das ihn begeistert und das er wohl zu spielen versucht. Ich habe es zum Frühstück gehört. Es berührte mich tief und ich höre es jetzt, während ich diesen Blog beende, erneut in einer Endlosschleife.

Genutzte Quellen: Baronsky-Ottmann, Nicole: „The healing.the voice“: Wie man mit sich selbst im Chor singt, Saarbrücker Zeitung, 06.02.2024; Künstlerhaus Saarbrücken: Hannah-Sofie Schäfer: „Healing“. The Voice; Saarbrücker Zeitung: Klang-Performance und Gedichte im Künstlerhaus, 30.01.2024; Stadt Saarbrücken: The Healing. The Voice.

Die Installation ist noch bis zum 25. Februar zu sehen.

Adresse: Saarländisches Künstlerhaus Saarbrücken e. V., Karlstr. 1, 66111 Saarbrücken, Tel.: +49 (0) 681/37 24 85,

Performances Hannah-Sofie Schäfer © Ekkehart Schmidt

Zur Alten Post_Bingen

Auf dem Weg zum Weihnachtsfest bei Omaopa in Köln hatte ich für meine Kinder zwei Zwischenstopps organisiert: erst eine Nacht in Bingen in der „Krone„, dann in St. Goar im Hotel „Zur Loreley„. Wir wurden in der Krone abends nett empfangen, aber die Küche war schon im Urlaub. Also raus an die „Vorstadt“ genannte Hauptstrasse, etwas nettes suchen. Empfohlen worden war uns eine Pizzeria, während ich wieder zu „Fari“ wollte.

Als wir aber an diesem für Kinderaugen sehr uncoolen Gasthaus vorbeikamen, dessen Schriftzug über den Butzenglasfenstern mich sofort faszinierte, setzte ich meinen Wunsch nach „rustikaler“ Authentizität durch, indem ich auf der Karte in der Vitrine Rahmschnitzel fand und vorschlug… Sie liessen sich überreden und das war richtig entschieden, alle waren froh…

Obige Fotos machte ich am nächsten Tag, auf dem Weg zu einem Pokemon-Laden, den die Kinder entdeckt hatten. Als wir erstmals vorbei kamen, war es schon dunkel:

„Team Singh“ nahm ich erst nicht richtig wahr, im sehr warmherzigen Gespräch mit der (deutschen) Kellnerin erfuhr ich dann aber, dass das ziemlich alte Lokal vor einigen Jahren von der Singh GmbH übernommen worden ist, ihr Chef Kulvinder Singh war aber gerade auf Reisen. Wir setzten uns in eine urtümlich bestuhlte Ecke, was wegen der Weihnachtsdeko etwas verdeckt war:

Wir bestellten zwei Rahmschnitzel mit Getränken für die Kinder, für mich aber nur einen Espresso, weil ich noch pappensatt von der Bahnfahrt war, auf der ich den Reiseproviant der Kinder zu tilgen hatte, weil sie keine Lust auf Sandwichs hatten (bekam aber Reste ab).

Bis ich meine Gier auf Pommes und Rahmsosse auch stillen konnte, schaute ich mich etwas um, auf der Suche nach exemplarischen Resten rheinromantischer Deko, entdeckte ein Posthorn und schön altmodische Wegweiser zum Damenklo:

Auf mein Interesse an der Historie reagierend, zeigte mir die Kellnerin alte Fotos des Lokals und erklärte, dass die Theke umgesetzt worden ist, nachdem der Eingang in den überdachten Nebenbereich mit Terrasse verlegt worden ist:

Die namensgebende, 1887 entstandene, Poststation ist im 2. Weltkrieg zerstört worden, wurde neu errichtet, dann aber umgewandelt. Eine um 1913 entstandene Fotografie der alten Post entstand anlässlich eines Zeppelinflugs über Bingen. Die kleinteilige Struktur der Strasse als rückwärtiger Teil der Hauptstrasse (die heutige Mainzer Str.) ist noch immer sichtbar:

Ich fand auch online auf der recht altbackenen Homepage des Lokals noch eine alte Postkarte:

Ab 1646 hatte es in Bingen eine Thurn & Taxis’sche Poststation gegeben, die mit den Postlinien nach Mainz, Bad Kreuznach, Koblenz und Alzey an das überregionale Streckennetz angebunden war. Die Poststation befand sich in der Vorstadt auf dem Areal des heutigen Gasthauses „Zur alten Post“. Ludwig Gahr war der letzte Postillion von Bingen. 1925 hatte er seine letzte Fahrt, so eine Quelle der Stadt zur Postgeschichte. Wenn ich mich nicht täusche, sind es sein Helm und sein Posthorn, die hier im Lokal hängen.

Soweit für heute. Ich weiss: Ich muss da noch einiges recherchieren, um die Geschichte dieser Ecke zu verstehen und vor allem herauszufinden, wann das Lokal entstand: schon in den 1920er-Jahren oder erst nach dem Krieg? Oder viel früher, wie zum Beispiel das gleichnamige Lokal in Ingelheim? Der Heimatforscher Manfred Winkel hat zur Bingener Post publiziert, aber ein entsprechender Artikel liegt hinter einer Paywall…

Hier noch Fotos auf Google Maps.

Adresse: Vorstadt 6, 55411 Bingen am Rhein, Tel.: 06721-14613, Homepage

Zur Alten Post_Bingen © Ekkehart Schmidt

Hotel Zur Loreley_St.Goar

Wer im Mittelrheintal unterhalb der Burgen ein Hotel sucht, steht vor einer Auswahl von fast ausschliesslich authentischen, so genannt „altehrwürdigen“, Hotels und Pensionen. Interessanterweise hat sich hier keine einzige Kette mit standardisiertem Angebot angesiedelt bzw. ein älteres Haus aufgekauft und aufgemotzt. Sucht man dagegen in Berlin oder anderen Metropolen, ist das genau umgekehrt. Aber natürlich: Den Mittelrhein besuchen keine Geschäftsleute und auch kaum junge deutsche und ausländische Erwachsene mit schmalem Budget, die lieber in einem Hostel unter sich bleiben, als in einem Hotel mit Geschichte auf altbacken wirkende Vorstellungen von Rheingemütlichkeit zu stossen, mit denen sie wohl auf den ersten Blick nichts anzufangen wissen.

Weiterhin ist das UNESCO-Weltkulturerbe eine Region, die eher von deutschen Pensionären besucht wird, die dies zu schätzen scheinen, aber eben auch von internationalen Torurist:innen, die – wenn sie übernachten – durchaus dieses Flair suchen, das heutzutage eher altbacken wirkt.

Als ich für unseren Weihnachtstrip zu den Grosseltern bei Köln auf die Suche ging, suchte ich aber genau das Altbackene, also Häuser mit Patina und Geschichte – und hatte ein wenig die Qual der Wahl. Ich entschied mich in Bingen für die „Krone“ und in St. Goar für das Hotel „Zur Loreley“. Während ersteres heutigen Ansprüchen entsprechend saniert wurde, schien bei letzterem die Zeit in den 1980ern stehen geblieben zu sein. Das sage ich ohne Wertung, schliesslich wollte ich meinen Kindern (10 und 8 Jahre alt) bei unserem zweiten Aufenthalt unter der Burg Rheinfels ja „Rheinromantik“ und ein Gefühl von Heimat zwischen Köln und Saarbrücken vermitteln. Beim ersten Mal waren wir in der Jugendherberge.

Als wir zwei Tage vor Weihnachten vom Bahnhof kommend in die Fussgängerzone einbogen, ahnte ich sofort, dass wir völlig ausserhalb der Saison kamen: Fast kein Restaurant und Geschäft war noch geöffnet, alle waren in der Winterpause. Wir klingelten und es dauerte eine fast schon erschreckend lange Zeit, in der ich mich fragte, ob die Buchung angekommen war, ehe uns Inhaber Stefan Tornau-Schmid öffnete. Er war aus der Wohnung der Inhaberfamilie gekommen, schon im Feiertagsmodus, machte dann aber seinen Job für die wohl letzten Gäste der Saison: Wir waren die einzigen für diese Nacht…

Die Rezeption befand sich an der Theke des holzvertäfelten Frühstücks- und Restaurantbereichs, von dem aus hinter einer Schiebetür der Weg hoch zu den Zimmern führte. Stefan Tornau-Schmid nahm sich gleich die Zeit, uns in aller Gründlichkeit zu unseren Frühstückswünschen zu befragen – denn natürlich gab es für uns drei kein Büffet. Also: Wieviele Brötchen hell/ dunkel, was für ein Aufschnitt und Marmelade neben Nutella, neben Kaffee und Kakao auch Orangensaft, Joghurt, Eier (wie zubereitet)? Das fühlte sich gut an.

Es ging wieder ein Treppenhaus hoch, in dem es ziemlich verschachtelt vom Haupthaus ins (später dazugekaufte) Nebenhaus ging, ehe wir unsere Zimmer erreichten. Die Kinder waren längst da und hatten befriedigt und erleichtert festgestellt, dass es einen ausreichend grossen Fernseher gab, während ich mich mit der riesentasche voller (heimlicher) Weihnachtsgeschenke durch mehrere Türen und manche kurzen Treppenabschnitte quälte…

Wir hatten zwei Zimmer mit Blick nach hinten, völlig ruhig, schön sauberen Betten, aber einer Heizung, die Herr Schmidt-Tornau (verständlicherweise) erst jetzt anwarf.

Wir liefen abends noch durch den Ort, die Kinder durften bei Arte und Kika schauen, was es gibt und das Frühstück am nächsten Morgen war dann auch super:

Als ich mit meinem Jüngsten dann das Feedback-Formular ausfüllte, schrieb er, dass ihm das nicht modern genug war und ich ergänzte (trotz meiner Zufriedenheit als Fan alter Hotels), dass mir das Preis-Leistungsverhältnis im Vergleich zur „Krone“ am Vorabend nicht gefiel: zu teuer.

Die Loreley kann man übrigens von hier aus nicht sehen, dazu müsste man die Fähre nach St. Goarshausen gegenüber nehmen – was wir natürlich machten. Auch von der Loreley selbst ist nur St. Goarshausen zu sehen (Foto von 2016):

Adresse: Heerstraße 87, 56329 St. Goar, Tel.: 06741-1614, info@hotel-zur-loreley.com, Homepage

Hotel Zur Loreley_St.Goar © Ekkehart Schmidt

Hotel Krone_Bingen

Meine Kinder kannten Bingen, aber bislang nur so von der Durchreise vor ein paar Jahren, vom Zug aufs Dampfschiff nach Assmannshausen umsteigend, als Auftakt für das Burgenerlebnis am Mittelrhein. Drei Tage vor Weihnachten nahmen wir uns nun einmal etwas mehr Zeit. Ich hatte hier – auf dem Weg zum Weihnachtsfest bei den Grosseltern rheinaufwärts in Köln – das Hotel „Krone“ gebucht und hoffte, den Kindern in den folgenden zwei Tagen so etwas wie ein *Heimatgefühl“ in der Region zu vermitteln, bzw. dieses zu vertiefen. So, wie es für mich wichtig war, nachdem wir Anfang der 1970er-Jahre aus dem Iran kommend an den Rhein gezogen waren.

Wir buchten ein Familienzimmer mit zwei Räumen für 119 Euro inklusive Frühstück, was für den hohen Standard (drei Sterne) ein wirklich faires Angebot war. Aber natürlich: wir kamen völlig ausserhalb der Saison. Nach einem längeren Fussmarsch vom Bahnhof, mit schwerem Gepäck (Weihnachtsgeschenke), wurde der Auftakt unseres Aufenthaltes erst dadurch gestört, dass Johann an der zunächst unbesetzten Rezeption ein paar Mal zu oft auf die Klingel boxte… Die Inhaberin, Anne Merkers, die sofort aus der Küche gesprungen kam, zeigte sich erst not amused, aber diese Missstimmung legte sich sofort und sie empfing uns herzlich und mit guten Tipps für unseren Wunsch, noch essen zu gehen. Im Hotel gab es verständlicherweise keine Möglichkeit mehr.

Aber erstmal die ehrwürdige Treppe hoch zum Zimmer. Ob auch der Teppich mit Krone-Logo seit 1937 überlebt hat, als das Hotel entstand? Wohl nicht, wenngleich er sicher aus dem 20. Jahrhundert stammt. die Treppe selbst wird noch älter sein, aus einem der beiden Vorgänger-Hotels stammend, die durch das „Krone“ zusammen geführt und auch räumlich verbunden worden sind.

Wie so oft in solchen Fällen ist das auch in den Fluren durch eine plötzliche Stufe oder einen Knick des Ganges sichtbar. Wenn man denn darauf achtet. Lustig: Als ich ein Foto der Flure machte, stellte sich mein Jüngster auf Zuruf brav an die Seite, seine Nase erwischte ich erwischte ich dann aber dennoch versehentlich.

Die Zimmer sind – entsprechend der Geschichte des aus zwei architektonisch unterschiedlich konzipierten Häusern – keineswegs alle gleich gestaltet. In zwei schaute ich am Morgen der Abreise hinein, während gereinigt wurde: ein erstes eher langweilig mit 08/15-Bett, ein zweites aber mit einem Bett im gleichen schönen alt-authentischen Stil, wie bei uns.

Die Kinder waren sehr angetan von unserem Familienzimmer (vor allem vom grossen Flachbildschirm, den es zuhause nicht gibt). Sie lieben diesen kleinen Luxus auf Reisen mit mir. Für mich eher relevant: das schöne alte Holzbett mit superfrischer Bettwäsche auf einer sehr guten Matratze.

Die Zimmer auf der Rheinseite bieten mit dem beeindruckenden Blick über den Rhein, hinüber auf die hessische Seite mit dem Rüdesheimer Niederwalddenkmal. Der Blick westwärts zum berühmten „Mäuseturm“ auf einer winzigen Rheininsel ist leider durch Bäume versperrt. Vielleicht haben die Inhaber ihn bei der letzten Sanierung deshalb in der Dusche platziert? Ich habe noch nie an einem Foto geduscht. Auch diesmal nicht: seit der jüngsten Energiekrise spare ich mir das viel öfter als früher schon.

Das kleine, gut ausgestattete, Bad ist farblich sehr geschickt gestaltet worden: es dominiert Schwarz-Weiss, aber ein gelbes Wandstück peppt alles auf. Ganz ähnlich der Kontrast zwischen den grauen Deckenpanelen und knallig roten Effekten im Eingangsbereich:

Eine andere Merkwürdigkeit fiel mir auch erst nach einer Weile auf: Das Kunstwerk neben dem Bad, eine Gardine und ein Lampenschirm zeigten Motive einer Grossstadt. Das schien mir irgendwie unpassend, bis ich verstand, dass es sich um Motive aus Düsseldorf handelt: der Endstation vieler Rheindampfer, die durch das Mittelrheintal fahren. Als Kölner war ich da etwas beleidigt…

Die „Köln-Düsseldorfer“ Dampfer fuhren übrigens am nächsten Morgen nicht. Winterpause. Shit. So sind wir nach einem sehr guten Frühstück per Zug weiter nach St. Goar den Rhein hoch auf die klassische Tour.

Leider vergass ich, Anne Merkers zu fragen, von wem diese Grafiken stammen, die überall im Hotel hängen und in vielen Varianten Frauen oder nur ihre Beine in merkwürdig klobigen Stöckelschuhen zeigen. Die „Krone“ ist also ein Traditionshaus mit durchaus eigenwilligem Charakter.

Sie ist eins der wenigen Binger Hotels, die viele Jahrzehnte und manchen Wandel im Rheintourismus überlebt haben. Die Geschichte beginnt 1937 mit einer Werbeanzeige des damaligen Besitzers O. Steinle für sein „Neu erbautes, gut bürgerliches Haus / Fließendes Wasser / Garagen / Anerkannt gute Küche / Naturreine Weine / Bestgepflegte Biere in nächster Nähe des Bahnhofes, gegenüber den Dampferanlegestellen“ (so ein geschichtlicher Rückblick der Stadt Bingen). Dieser besondere Standort mit Rheinblick hat natürlich eine lange Hoteltradition. Vorher residierten dort das Hotel Distel (Nr. 19) und das Rheinhotel (Nr. 20), die von Steinle zusammengeführt worden sind. Alte Postkarten zeigen die Situation von 1937, der 1950er- und 1960er-Jahre:

Als Robert Roth 1973 starb, führte seine Frau mit Unterstützung der beiden Töchter das Haus weiter, 1983 übernahmen Margot Kreis und Marie-Jeanne Stark den Betrieb. Ein Jahr später brach aus ungeklärten Ursachen ein Brand aus. Zwar ging dieser glimpflich aus, dennoch erwiesen sich die Schäden durch das Feuer und die starke Rauchentwicklung als so gravierend, dass das Hotel für Sanierungsmaßnahmen geschlossen werden musste. Erst im Februar 1985 wurden das Restaurant und die Nebenräume wieder eröffnet. Vorausgegangen waren umfangreiche Sanierungsarbeiten. Die Zimmer hatten Dusche/Bad, WC, Selbstwähltelefon (!), Fernsehanschluss und schallisolierende Fenster erhalten.

Dass da zwei Häuser zusammengeführt wurden, fällt heute auf den ersten Blick nicht auf. Durch die einheitliche Beleuchtung und jetzt auch der Weihnachtsdeko vor allem abends nicht:

Schaut man aber einmal auf die Rückseite und nähert sich um das Eck mit dem Haus der Touri-Info der Vorderfront, wird ersichtlich, welch umfangreiche Wandlungen da in den vergangenen gut 90 Jahren vor sich gegangen sind. Da wurde nicht vereinheitlichend verputzt und gestrichen. Vorne am Rheinkai ist es übrigens sehr ruhig, der Hauptdurchgangsverkehr durch die Stadt verläuft hinten. Auch deshalb: Unbedingt ein Zimmer zur Rheinseite buchen! Es muss ja nicht unbedingt unter der beeindruckend goldenen Krone sein…

Adresse: Rheinkai 19-20, 55411 Bingen, Tel.: 06721-17016, info@hotel-krone-bingen.de, Homepage

Hotel Krone_Bingen © Ekkehart Schmidt

Der „Steinberg“ Gunbad-e Djabaliye_Kerman

Ich habe mich seit dem furchtbaren Anschlag letzte Woche wieder etwas näher mit der Gegend vor dem Friedhof von Kerman, im Osten der Millionenstadt im Süden des Iran, beschäftigt – mich an unsere Aufenthalte 2012 und 2016 erinnert. Das erste von zwei Attentaten des IS erfolgte neben einem historischen Gebäude, an dem man nach zwei sehr alten sassanidischen Festungsruinen auf Hügeln vorbeikommt, wenn einen der Weg vom Meidan-e Shohada am Rand der Altstadt zum Friedhof führt: der Gunbad-e Djabaliyeh an der Kreuzung der Khiabane Shohada mit der Khiabane Zarisef.

Hier zunächst ein Blick zurück von den Bergen hinter dem Friedhof, die bis zu 2900 m Höhe, weiter südlich sogar 3.900 m erreichen und hinter denen die extrem unwirtliche Wüste Dascht-e Lut beginnt:

Alter und ursprüngliche Nutzung des relativ kleinen Gebäudes mit einem achteckigen Grundriss, mehreren Bögen und einer doppelten Kuppel, sind unbekannt. Daher wird es auch unterschiedlich benannt. Das liegt daran, dass das islamische Regime wenig Interesse an einer Hervorhebung von Kultstätten früherer Kulturen und gar kein Interesse an Kultstätten früherer Religionen hat. Ein traditioneller Name ist „Djebel-e Sang“ (Steinberg), ein anderer überlieferter Name ist „Gunbad-e Ghebri oder Gabri (zuweilen in der Literatur zu deutsch: Gebernturm genannt). „Gabr“ ist eine bei iranischen Muslimen übliche Bezeichnung für Zoroastrier, also Anhängern der ersten, von Zarathustra begründeten, monotheistischen Religion.

Unabhängig von dieser religionspolitischen Einschätzung wurde der ursprünglich wohl in der Mitte eines Friedhofs errichtete Bau sehr gut saniert. Er wurde „Steinberg“ genannt, weil es in der Gegend eher üblich war, Gebäude aus gebrannten Ziegeln zu errichten. Nur deshalb scheint er über gut anderthalb Jahrtausende auch erhalten geblieben zu sein. Aus Ziegeln wurde nur die Kuppel erbaut, wahrscheinlich, weil diese später zugefügt wurde, heisst es in der Literatur.

Der Architekturforscher Arthur Upham Poe konstatierte einen starken sassanidischen Einfluss und mutmasst, dass es sich um einen Grabbau gehandelt haben könnte. Der Bau hat eine doppelschalige Kuppel, wohl die älteste ihrer Art im Iran.

Heute befindet sich hier ein kleines Museum für historische Steine, unter anderem Grabsteine mit interessanten Gravuren aus unterschiedlichen Epochen, ergänzt um Fotos mit alten Ansichten des Gebäudes.

Für uns war das damals vor allem ein Ort, an dem die Kinder frei herumlaufen, auf die draussen platzierten Metallskulpturen klettern und einen schüchternen Kontakt zu persischen Mädchen aufnehmen konnten.

Verwendete Quellen: Farzadmehr Arami, Majid: Kerman. Land of History and Nature, Teheran 2010, S. 97; Matheson, Sylvia A.: Persien. Ein archäologischer Führer, Stuttgart 1980, S. 356 (engl. Original von 1976); Niemann, Hartmut/ Paul, Ludwig: Iran. Reise Know-How, 3. neu bearbeitete und komplett aktualisierte Auflage 2012, Bielefeld, S. 589; Pope, Arthur Upham: Persian Architecture, 1965.

Der „Steinberg“ Gunbad-e Djabaliye_Kerman © Ekkehart Schmidt