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Das Autobahnkreuz meiner Kindheit

August 26, 2013

Als wir in Teheran 1968 vom „alten“ ins „neue“ Haus zogen, konnten wir Kinder hinter der rückwärtigen Mauer des Grundstücks eine riesige Freifläche sehen, auf der eine Bauernhütte aus Lehmziegeln stand. Es gab dort eine Schafherde und abends brannte Feuer. Das war wild und gefährlich, aber wir haben uns ein paar Mal über die Mauer getraut und Kontakt aufgenommen. Teheran hatte erst 1-2 Millionen Einwohner, aber es boomte und die vorausschauende Stadtverwaltung hatte eine Autobahn vorgesehen, die von Downtown tief unten in der Ebene zu uns am Berg nach Schemiran hoch führen sollte, wo sie sich 200 m von unserem Haus mit der Khiabane Pahlavi kreuzen würde. Daher diese Freifläche. Die eigentlich ein langes Band unbebauter Erde war. Aber das wußten wir nicht.

Die 14 km lange Kh. Pahlavi, die den armen Süden am Bahnhof mit dem reichen Norden verbindet, heißt seit der islamischen Revolution Kh. Vali-e Asr. Die Autobahn überquert sie nahe des damaligen Hilton-Hotels in einer Hochbrücke. 1993, 2012 und dieses Jahr im März habe ich mich (natürlich) wieder dort herum getrieben. Nostalgische Gefühle wollten sich aber nur schwer einstellen. Zu viele der alten Villen wurden durch Hochhäuser ersetzt und es gibt kaum noch eine grüne Ecke. Neu war dieses Jahr eine Gruppe bunter Kinderfiguren, die einzigen mir in der heutigen 12-15-Millionenmetropole bekannten, direkt an der Kreuzung. Als wir vorbeikamen wurden sie gerade von einer Frau fotografiert – und natürlich mußte ich sie ansprechen und meine Story erzählen.

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

Eine schöne Begegnung: Sie fotografiert professionell und hatte sich diese neue Statuengruppe zum Thema genommen. Ob sie mich und meine Story eingearbeitet hat? Jedenfalls hat sie mir später ein schönes Foto geschickt.

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

1._800

Neben dem Hilton Hotel, das damals das einzige Hochhaus hier oben war und nach 1979 nationalisiert und in Hotel Enquelab umbenannt wurde,  entstand schon vor gut zwei Jahrzehnten ein zweiter Hochbau. Zur zeit wird ein weiterer Betonklotz errichtet. Es gibt hier oben in der Stadtregion zwischen 1500 und 1900 m Höhe sicherlich 50 solcher Hochbauten.

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

Da weit links hinter der vordersten Häuserfront unter der Brücke sichtbar stand unser Haus mit dem Blick auf die Schafe auf dem leeren Steppengrundstück… Welch ein Zeitsprung:

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

Die Zeiten ändern sich, aber schön, daß die Khiabane Vali-e Asr wie einst als Kh. Pahlavi noch immer als majestätische Pappelallee hinunter in die Stadt führt. Da lag auch jener Kiosk, in dem wir Kinder mit von der Mama geklautem Geld ein Kilo Kaugummis erstanden hatten (aber zurück geben mußten), was eine von vielen anderen Stories ist…

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

Khiabane Vali-e Asr Teheran © Ekkehart Schmidt

From → Iran

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  1. Khiabane Pahlavi 1966-71 | akihart

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